Talkes Tagebuch
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Nur Talke ?



Talkes 1. Todestag begeben wir uns alle morgens zum Friedhof. Evke hat von ihrem Taschengeld ein Schleichtier gekauft, Bilder gemalt und Spielzeug gebastelt. Hand in Hand stehen wir am Grab und können nach wie vor nicht in Worte fassen, was für ein Unglück eigentlich über uns hereingebrochen ist !

Das Verlangen, Talke wieder in den Arm zu nehmen, ihren Geruch zu verinnerlichen, den blonden Schopf zu streicheln, ihre Stimme zu hören, oder einfach nur zu kuscheln, ist in diesem Moment so groß ... Mit bloßen Händen könnten wir in der Erde wühlen - aber der Gedanke daran, was wir wohl vorfinden würden, läßt uns erschaudern !

Als wir am frühen Abend nocheinmal zum Grab gehen, freuen wir uns bei aller Traurigkeit über die zahlreichen Besuche und Geschenke.

Blumen, Spielzeug, Luftballons ...

 

 Unaufhaltsam rückt der 5. Geburtstag näher ... Normalerweise ein Ereignis, das an Arbeit, Vorbereitungen und Streß mit einem Wasserrohrbruch gleichzusetzen ist ! Wir überlegen, ob wir an diesem Tag lieber alleine sein wollen oder ob wir Talkes Kindergartenfreunde einladen sollten. Wir entscheiden uns gegen eine Feier, der Anblick von Kindern in ihrem Alter ist nicht zu ertragen ... Stattdessen dekorieren wir das Grab mit dem obligatorischen Geburtstagszug !

 

Der Seelenvogel von Bad Saulgau

 Oder

 Die Frage, ob eine Rehabilitation hilft

 

6 Wochen hatten wir im Juni un Juli Zeit, die Geschehnisse rund um Talkes Tod in einer anderen Umgebung zu verarbeiten. 6 Wochen, vollgestopft mit allerlei Aktivitäten:

  • Sport
  • Handwerken
  • Entspannungsübungen
  • Einzel- und Paartherapien
  • Elterntraining
  • Einzel- und Gruppensitzungen

Wir wollten diese Rehabilitation, wir wollten sie gemeinsam, wir wollten gemeinsam als Familie einen Schlußpunkt erarbeiten und nicht in immerwährender, lähmender Trauer gefangen zu sein.

  • Wissen, warum sich Evke manchmal unerklärlich merkwürdig benimmt
  • Lernen, ohne schlechtes Gewissen Talke in ihrer kalten, dunklen Gruft gegenüber zu lachen und unbeschwert leben zu können
  • Lernen, wie wir uns gleichgültigen Menschen gegenüber verhalten
  • Endlich ohne körperliche Beschwerden den Tag beginnen und enden lassen
  • Wir wollten einfach nur unser altes Leben wieder leben können

Wahrscheinlich wollten wir zuviel und haben gedacht, daß irgendein Wunderheiler oder Schamane an uns herantritt, 2 blaue oder rote Pillen verabreicht und alles ist wieder gut, vergessen, normal und haben dabei vergessen, daß es keine Medizin gibt, die das Geschehene ungeschehen, die das Unbegreifliche begreifbar oder das Endgültige vorübergehend machen kann.

Irgendwie haben wir das Gefühl, mit leeren Händen dazustehen. Aller vollmundigen Versprechen zum Trotz hat sich eigentlich nichts geändert - bis auf die Tatsache, daß wir jetzt ansatzweise verstehen und nachvollziehen können, wie Evke "tickt"  und wie sie den Verlust ihrer Schwester täglich er- und durchlebt.


Die Vorweihnachtszeit naht ... Mit Grausen sehen wir der besinnlich - friedlichen Zeit entgegen ... Wohlwissend, daß es uns innerlich zerreißen wird.  Zu allem Unglück hat sich Evke auch noch beim diesjährigen Krippenspiel angemeldet ! Nicht nur, daß die Proben in dem Raum stattfinden, in dem der Sarg Ihrer Schwester stand; nein, jetzt müssen wir auch noch Heiligabend in die Kirche gehen und uns die Weihnachtsgeschichte anhören !

 

Anschließend können wir uns am Grab von Talke aufstellen , „Oh Du fröhliche“ oder „Stille Nacht, heilige Nacht“ singen und genießen zu Hause das Weihnachtsfest. Lieber Gott, wir danken wir für dieses wunderbare zweite Weihnachtsfest ohne das jüngste und unschuldigste Familienmitglied ! Vielleicht sollten wir auch unseren Dank zum Ausdruck bringen, daß wir Talke 3,5 Jahre lang erleben durften und gemeinsam beten ... Amen ! Ist doch schon soooo lange her ! Jetzt muß es uns doch wieder gutgehen, außerdem haben wir ja noch ein Kind ! Und so alt seit sind wir ja auch noch nicht ...

 

Es ist alles kaum zu ertragen ...